Das muss aber auch nicht sein: Denn entscheidend ist nicht, was wir über einen
Menschen sagen, sondern was wir im Herzen bewahren; was uns, auch über die
Schwelle des Todes hinaus, verbindet und was Gott, im Herzen, in der Seele, im
Leben eines Menschen sieht, dessen Blick nicht an der Oberfläche bleibt wie der
unsere.
Zugleich ist klar, dass unser Blick auf das Leben eines Menschen sehr subjektiv
ist, da ein jeder von uns seine persönlichen Erinnerungen in dieser Stunde
mitbringt, das Stück gemeinsamen Lebensweges, sodass wir so viele
Ansprachen und Nachrufe hätten, wie Menschen, die hierhergekommen sind, um
dankbar Abschied zu nehmen. Wenige werden zu Wort kommen können, alles
andere legen wir in unseren Herzen und persönlichen Erinnerungen hinzu und
gleich mit den Gaben von Brot und Wein dankbar auf den Altar.
Schließlich ist dies zunächst der liturgische Ort der Verkündigung, während in
den Nachrufen am Ende der Messe Daten und Würdigungen eher ihren Platz
haben und auch nicht alles mehrmals mit mehr oder weniger unterschiedlichen
Formulierungen gesagt werden muss.
Ohnehin war Edwin Bauer nie ein man der großen Worte, wenn es um ihn selbst
gingt. Durchaus großer Worte, wenn es um seine hervorragenden Predigten,
Gebete und Texte ging, persönlich aber stets bescheiden, demütig, ja manchmal
sogar seine eigne Stärken und Fähigkeiten bezweifelnd - Die große
Trauergemeinde zeigt, dass es dafür keinen Grund gab!
„Wir verkünden nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber
als eure Diener um Jesu willen!“ Diese Worte stellte Edwin Bauer anlässlich
seiner Priesterweihe und Primiz über sein priesterliches Wirken.
Viele von uns, die heute hier sind, wissen, dass dass er diesen Worten treu
geblieben ist und es in die Tat umgesetzt hast!
In unserer Priesterausbildung begegnete mir das Wort von „geistlichen
Menschen und menschlichen Geistlichen“ , dernen die Kirche bedarf . In Edwin
Bauer habe ich beides stets erfüllt gesehen: Ein geistlicher Mensch, der aus
seiner Christusbeziehung lebte und einen menschlichen Geistlichen, der stets
den Menschen zugewandt war. Er war ein guter Theologe, bis zuletzt interessiert
an aktuellen theologischen Fragen und Entwicklungen, zugleich war ihm
wichtig, nicht nur den Kopf, sondern vor allem die Herzen der Menschen zu
erreichen, was ihm auch gelungen ist, wie die große Trauergemeinde zeigt, aber
auch die zahlreichen Reaktionen, Begegnungen und Gespräche der letzten Tage.
Besonders eindringlich ist mir in Erinnerung, als Edwin sich an seinem 40.
Weihetag vor über 25 Jahren bei den Dankesworten ein Wort aus dem
Lukasevangelium zu eigen gemacht hat: „Wenn ihr alles getan habt, was euch
befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere
Schuldigkeit getan.“ Das war nicht nur ein frommer Spruch, keine Floskel - das
war authentisch, das war echt und beeindruckend!
Es ging Edwin Bauer nicht um sich, sondern um Christus, sein Reich, seine
Gemeinde, seine Kirche. Jesus Christus ist der Herr, nicht der so genannte
Pfarrherr, als der er sich nie gesehen und verstanden hat, was umgekehrt jedoch
nicht bedeutet, dass es nicht auch der Leitung bedarf, die eben auch ein Dienst
ist! Dabei gehört zur Leitung auch, anderen Freiraum zu lassen und Charismen
zu entdecken und zu fördern, was nicht nur an zwei Priestern am Altar, die von
seinem Wirken geprägt sind, deutlich wird, sondern auch an vielen anderen, die
zum Beispiel in ihren Gemeinden in kirchlichen und sozial-caritativen
Ehrenämtern engagiert sind und so ihren Glauben leben und bezeugen.
Edwin Bauer war es stets ein Anliegen, einen liebenden und barmherzigen Gott
zu verkündigen; einen Glauben, der Hoffnung, Freude, Kraft und Zuversicht
schenkt, ohne die Realität des Leidens und Kreuzes zu leugnen oder
schönzureden.
Dazu passt letztlich auch die Botschaft des eben verkündeten Evangeliums: Das
Wort vom Weizenkorn ist ein eingängiges Bild, das uns zeigt, dass es
Situationen gibt, in denen das Sterben (oder scheinbar endültige Sterben) einen
Sinn hat, ja sogar notwendig ist. Es braucht das Opfer der Saat. Es braucht den
Tod eines Weizenkorns, um neue Frucht hervorzubringen. Geheimnis des
Glaubens: Im Tod ist das Leben, singen wir zurecht.
Ja, es ist und bleibt ein Geheimnis, das uns vielleicht auch erschauern lässt und
mit Ängsten, Zweifeln und Widerständen zurücklässt. Aber dennoch ein
Geheimnis, dass nicht nur in der Natur, im Blick auf das Weizenkorn, sondern
vor allem im Blick auf Christus offenbart, dass nicht der Tod sondern das Leben
siegt und das letzte Wort hat. Der Glaube daran ist letztlich ist die
Voraussetzung für jedes Opfer. Sonst hätte es keinen Sinn, Weizenkörner
scheinbar „wegzuwerfen“. Auch das Kreuzesopfer Christi hätte keinen Sinn und
auch nicht unsere Opfer, die wir aus liebe bringen. Aber sie haben einen Sinn,
weil Gottes Macht und Liebe stärker sind als der Tod, das Kreuz und das Leid.
Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben. Bis zuletzt, genau gesagt bis
heute vor zwei Wochen, bereitete Edwin liebevoll die Lieder, Texte und
Predigten für die hl. Messe in der Hausgemeinschaft am Samstagabend vor.
Dabei wurden stets auch Gebetsanliegen aus der Gemeinde und dem
Freundeskreis mit eingeschlossen und die hl. Messe für Kranke oder
Verstorbene gefeiert, mit denen man sich verbunden wusste. Edwin sah dies als
seine Aufgabe an und erfüllte sie mit Freude und Hingabe.
Sein priesterlicher Dienst war nicht auf den aktiven Dienst als Pfarrer
beschränkt. Er konkretisierte sich auch über die Feier der hl. Messe hinaus im
Gebet für die Kirche und die Welt, z. B. im Stundengebet, das er bis zuletzt treu
und gewissenhaft gebetet hat, wie er es einst bei der Weihe versprochen hatte,
wenn auch zuletzt mit Schwierigkeiten - es auch für uns jüngeren nicht immer
einfach ist, die richtigen Stellen mit den vielen Bändchen aufzuschlagen... Auch
dabei half ihm Gerda, wenn auch manchmal mit telefonischer theologischer
Beratung und Unterstützung.
Gerda Seus sagte im Vorfeld zwar, dass es heute nicht um sie geht, sondern um
ausschließlich um Pfr. Edwin Bauer, aber natürlich wissen wir im Blick auf die
letzten Jahrzehnte und vor allem im Blick auf die letzten Jahre, in denen Edwin
immer mehr auf Hilfe und Pflege angewiesen war, dass es ohne den
aufopferungsvollen und treuen Dienst von Gerda Seus nicht möglich gewesen
wäre, ihn so gut und liebevoll versorgt zu wissen und ihn bis zum Schluss in der
Webergasse zu Hause sein zu lassen und ihn auch in den letzten Tagen und
Stunden im Krankenhaus bis zum Tod zu begleiten und auch darüber hinaus.
Auch das ist eine Predigt für sich, wenn wir so wollen, was Treue und
Dienstbereitschaft, ohne Rücksicht auf die eigenen Kräfte, betrifft.
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn. Wie viele Predigten hat Edwin Bauer an
diesem Ambo gehalten?! Die besten Predigten bestehen jedoch nicht aus
Worten, sondern aus dem gelebten Glauben.
Für seine Todesanzeige hat Edwin Bauer formuliert: „Der Verstorbene glaubte
an die Auferstehung der Toten, erwartete einen neuen Himmel und eine neue
Erde und hoffte, beim großen Fest auf dem Berg Zion dabei sein zu können.“
Wir haben in der Lesung die wunderbare Verheißung von diesem Festmahl
gehört und das Wort: „Das ist der Herr - auf ihn haben wir gehofft!“
Auch im Sterben und über den Tod hinaus schenkt Edwin Bauer uns noch
einmal ein Glaubenszeugnis: Glaube an die Auferstehung und und Hoffnung auf
das große Fest!
„Wer Hoffnung hat, der lebt anders“, schreibt Benedikt XVI. in seiner Enzyklika
über die christliche Hoffnung „Spe salvi“ und wir dürfen ergänzen: „Wer
Hoffnung hat, der stirbt anders.“
Und so dürfen wir uns - gleichsam als letzte Predigt unseres lieben Pfarrers
Edwin Bauer - auch die Worte, die er für das Sterbebild gewählt hat, zu Herzen
gehen lassen, die der Chor eben auch schon gesungen hat und die Edwin Bauer
uns einst (im Blick auf das Te Deum von Anton Bruckner) in seiner Predigt an
der Schwelle zum neuen Jahrtausend so eindringlich ans Herz gelegt hat:
In te, Domine, spreavi - non confundar in aeternum. Auf dich, o Herr, habe ich
meine Hoffnung gesetzt. In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden.
Amen.